Mittwoch, 28. September 2011

Freud und Leid eines Klassik Fans mit David Garrett

Vom meinem Leid des gestrigen Abends möchte ich nicht schreiben, das muss ich erst noch mit mir ausmachen und überlegen, wie ich damit umgehe. Vielleicht schreibe ich an Prof. Adt. Auf jeden Fall habe ich schmerzlich zu spüren bekommen, wie sehr sich die Geister bei David Garrett scheiden. Aber fangen wir vorne an...

Schon den Tag über haben wir einen entspannten David Garrett in Bad Wörishofen erlebt, der gelassen auf der Terrasse einen Cappuccino trinkt und das tut, von dem er nicht will, dass er so gesehen wird... mei, soll er halt aufhören mit Rauchen.

An diesem strahlenden Tag hatten sich nicht nur die Damen in freudiger Erwartung vor dem Kurhaussaal in Bad Wörishofen versammelt. Ein Waschkorb voll DG CDs wurde rein geschleppt, nein die neue Klassik CD sei nicht dabei, die kommt erst am 4.11. raus, keine Ausnahmen. Auf den Tischen ein Schild "In der Pause wird David Garrett signieren", schön, auch wenn ICH aus dem Alter raus bin, dass ich mich in einer elendlangen Schlage anstelle.

Vor dem Konzert gab es wieder eine Werkeinführung von der Musikstudentin Friedamaria Wallbrecher. Das machte sie wieder sehr gut! Wir erfuhren, dass die Musiker durch ein Vorspielen aus 500 Musikern ausgewählt worden waren. Die 50 jungen Leute haben die Werke an nur 2 Wochenenden mit Prof. Adt einstudiert. Dafür sei ihm gedankt. Die Jüngste aus der Oberpfalz ist Geigerin und erst 9 Jahre alt. Beim Einstudieren ihrer Parts waren sie von Musikern des Bayerischen Rundfunks unterstützt worden. Das alleine schon ein tolles Projekt!

Vielleicht hätte Prof. Adt bei den Proben merken können, das die junge Fagottistin noch nicht reif ist für den Part in Beethoven Violinkonzert... Man kommt ja auch nicht auf die Idee, bei Liszt 2. Kalvierkonzert einen Schüler bei dem so wesentlichen Part ans Cello zu lassen....
Die Fagottistin ist ein Kind und hat natürlich noch nicht den langen Atem und den sicheren Ansatz... Bei der Generalprobe war ihr Spiel leider nicht überzeugend. Es war auch für mich als Zuhörer stressig, bei jedem Einsatz zu bangen, wie der Ton jetzt wohl kommt.... Sorry Mädel... Das wird schon, gib Dir ZEIT! So ist sie wohl "Opfer" ihres Lampenfiebers oder was auch immer geworden und wurde bei diesem Konzert durch einen wohl Profi ersetzt. Verständliche Entscheidung. Ich als Mami habe durchaus ein wenig gelitten, zu wissen, da sitzt jetzt ein gekränktes Mädchen zu Hause und weint....

Alle waren rechtzeitig auf ihren Plätzen. Diesmal begrüßte der Bürgermeister nicht die Gäste, wie an den anderen Abenden, warum eigentlich nicht? 
Die rausgeputzten Musiker betraten die Bühne. Kaum wiederzuerkennen, die jungen Leute. Kaum wiederzuerkennen auch die Musik! Wie erfreulich! Die Nervosität der Generalprobe war verflogen. Gleich bei den ersten Tönen der Ouvertüre zu Figaros Hochzeit war das zu hören. 

Foto: Franz Issing


Nächster Programmpunkt: Beethoven Violin Konzert D-Dur, op. 61 mit David Garrett. Es baute sich eine Spannung der freudigen Erwartung auf, zumal Mr. Garrett ein paar Sekunden länger auf sich warten lies, als üblich. Dann wurde er mit herzlichen Applaus begrüß, aber nicht mehr so jugendlich überschwänglich, wie am Tag zuvor. Da hatten deutlich mehr junge Leute den Weg ins Konzert gefunden. DG wieder im selben outfit, wie am Vortag, ein Strahlen auf seinem Gesicht. 

Schön zu hören, dass wir es nicht mit einem übermotivierten Paukisten zu tun hatten, er hat mit seinen 4 leisen Paukenschlägen das Konzert begonnen. Es dauert ja 88 Takte, bis die Solovioline einsetzt. 

Während DG am Vortag ja der Lausbub war (s. post), war er heute sehr konzentriert, professionell, ganz bei der Sache. Herrlich! Einige Takte vor seinem eigentlichen Einsatz spielt er ja einfach mal leise die 1. Geige mit um dann seinen Solopart zu beginnen. Mir ist dieser Beginn zu verhalten... ich würde mir da mehr Präsenz wünschen. Aber wenn der Künstler das so empfindet, muss ich mich dem beugen...smile.

Davids Kadenzen beeindrucken mich immer wieder. Hier kann man wohl am deutlichsten den Unterschied der Interpreten heraushören. Auch dann ist es  nur eine "Momentaufnahme". Wie erlebt der Künstler das Werk jetzt, in seiner jetzigen Lebensreife, Musikreife, Musikerleben. Ich finde, ein Künstler muss auch keine Hemmungen haben, das auf einer CD festzuhalten. Deshalb freu ich mich auch auf DG Beethoven CD im November. In späteren Jahren wird er Beethoven wohl anders spielen, das macht das Spiel von heute aber nicht "falsch".

So wunderbar die Kadenzen sind, so sehr hat es mich aufgeregt (ich merke, ich bekomme schon wieder Herzklopfen) ja geradezu verletzt, wie der Dirigent DG ignoriert hat. Ja, ich kann es anders nicht sagen. Ich habe da eine enorme Spannung gespürt. Die Körpersprache, die Gestik drücke für mich deutlich wahrnehmbar geradezu Missachtung aus. In der Generalprobe hatte Prof. Adt, ja Herr Adt ich nenne Sie beim Namen, David Garrett bei einer Kadenz sogar den Rücken zugekehrt, die ganze Zeit.
Sorry Sir, das gehört sich nicht und wird von Ihrem Publikum durchaus wahrgenommen! Es ist ja die Kommunikation von Dirigent, Solist, Orchester, die eine life Musikerleben so spannend macht. Wir kennen das von David Garrett in hohem Maße, dass er den Kontakt sucht, mit seiner Körpersprache, mit seinen Augen, mit seinem Lächeln. Deswegen sitzen wir so gerne in den ersten Reihen. So sehr sich David gestern mühte, es kam nicht zum Dialog mit dem Dirigenten, allenfalls mit einigen Musikern.

Ich wollte nicht zu kritische Töne anschlagen, aber jetzt drängt es mich doch.... Es ist ja allen, die das hier lesen klar, es geht hier nur um MEIN Erleben des Konzertes, deshalb darf ich das hier schreiben. Wer schwache Nerven hat, der soll jetzt mal lieben ein Paar Zeilen überspringen.

Auffällig war, dass ca. ein Drittel der jungen Musiker David nicht "applaudierten", in welcher Form auch immer. Man muss ihn ja nicht lieben, muss auch nicht mit seiner Interpretation des Werkes einverstanden sein, aber man muss Manieren haben. Ich mutmaße, dass es bei den Kindern durchaus Elternhäuser gibt, die - nennen wir es beim Namen - schlecht über David Garrett reden. Kritisch darf, soll, muss man sein. Ich mache ja auch keine Hehl daraus, dass ich nicht verstehe, warum DG den "Pausenclown" macht (Vorstellung eines Autos, Ice Revues etc....) , aber ich habe immer Respekt vor dem Künstler. Der Respekt gehört für mich durchaus als Erziehungsinhalt mit dazu. 

So, jetzt hab ich meinem Ärger Luft gemacht. Ich muss sagen, das hat mich doch SEHR aufgeregt. Ich habe mich die halbe Nacht nur im Bett gewälzt.

Zurück zum Konzert. David hat mit seinem engagierten, hervorragenden Spiel die jungen Menschen musikalisch mitgerissen. Mir schien, David hat sich geradezu verausgabt. Er war schweißgebadet. Er wollte, dass dieses Konzert gelingt und es ist gelungen.
Immer schwierig, jemanden herauszuheben, aber ich möchte doch einige nennen. Wie schon gesagt, der junge Paukist, der nicht der Versuchung erlegen ist, sich in Szene zu setzen, den 1. Oboisten (wenn es so was gibt ?) und die beiden Querflötistinnen. Die haben gestimmt "heimlich" zusammen geübt, außerhalb der Wochenenden. Sehr schön ihr Zusammenspiel bei der "Italienischen".

Richtig jugendlich-überschwenglich, gut gewählt die Zugabe: Vergnügungszug von Johann Strauss. Der Schlussapplaus für die jungen Musiker und ihren Dirigenten durchaus verdient.

upps.. ich war ja noch gar nicht fertig mit David Garrett. 
Er hat als Zugabe wieder mit dem Orchester Carneval von Venedig gespielt, dann Smooth criminal, wie bei der Generalprobe. Diesmal ließen wir ihn damit nicht gehen und wurden belohnt mit Bach, Sarabande aus der 1. Partita. Sehr getragen, edel sein Ton, das Publikum mucksmäuschenstill. Ich liebe solche Augenblicke!!!!

Dann Pause, David Garrett signiert. Ein ältere Dame schwärmt mir vor. "Er ist so sympathisch." Ich frage, "Sie kennen ihn?" Sie sagt, "Nein, aber ich habe ihn in einer Talkshow gesehen...." süß.... smile. Seine Fans lieben ihn, und so soll es sein. Ich gönn ihm das.
An seinem Geigenspiel und an seinem Geiger-Dasein muss er selber arbeiten, meist allein, mitunter bestimmt einsam. Aber die Fans können ihm ein wenig Rückenwind geben... gell.